popmonitor.berlin
* eine Veranstaltungsreihe von bands-in-berlin.com *
live: SIVA. + STERNBUSCHWEG
Es geht um Musik. Es geht
um Bands. Es geht um Berlin.
Vielleicht sogar um mehr?!SIVA.
(indie.electronica/berlin)
Bei SIVA. kann alles passieren. Jung und rastlos
wie sie sind, wird geschraubt und gefeilt an ihrem Traum, immer aus
dem Bauchgefühl gehandelt und Schicht für Schicht haben
sie uns ein Album gebaut, was wie ein Hochhaus vor uns ragt.
Alles hätte ganz einfach sein können, die Pläne waren
gemacht als nach zwei selbstproduzierten EPs und über 90 Konzerten
die Arbeiten am Album im Frühjahr 2006 im Studio Bellevue, Berlin,
begannen. Zusammen mit Thom Kastning (Kate Mosh, sdnmt, Kam.as) wurde
aufgenommen, überdacht, gelacht und geschichtet. Vier Wochen
waren geplant, aber schnell wurde klar dass dieses Tempo dem Album
nicht gerecht werden würde. 6 Monate später war man schlauer
und hatte die fertige Platte in der Hand. In mühevoller Kleinstarbeit
ist hier Großes entstanden: flirrende Gitarren, Laptop Loopings,
analoge Elektroniksprenkel und der ein oder andere Griff in die bunte
Kiste mit der Aufschrift Instrumentarium. Da werden Kinder gesampelt,
die vorbeifahrenden Züge in die Aufnahmen integriert, BBC angezapft,
gefiltert, stimmen zerlegt und neu zusammengesetzt. Während der
Aufnahmen kristallisierte sich ein weiterer Umbruch heraus. Die Band
besteht nur noch aus dem Songschreiber, Gitarrist und Sänger
Andreas Bonkowski, als man die Studiotür hinter sich schließt.
Was nun? Schon wieder ein ordentlicher Fahrplanwechsel. Nils Frahm,
Pianist und Elektroniktüftler, der schon an der Elektronik des
Albums beteiligt war, gesellt sich dazu und bringt Sebastian Singwald
mit ins Boot, einen weiteren Multi-Instrumentalisten und Bastler.
Somit fehlte nur noch ein passender Schlagzeuger, der jetzt in Form
von Jens Gathemann (Kate Mosh) zu ihnen stieß. Sofort wird unmissverständlich
klar, dass dies das mit Abstand turbulenteste Jahr der Bandgeschichte
war, voller Zerwürfnisse. Von null anfangen und gestärkt
stehen bleiben. „the story is complete, but i think we've lost
the book“ trägt all das in seinem ironisch gebrochenem
Titel und weiß um seine Wahrheit. Schließlich war das
von Anfang an als Albumtitel geplant. Soso. Hier wird tiefer gegangen
als bei allem was SIVA. zuvor auszeichnete, all die Kontraste und
Facetten ergeben hier eine stimmiges Ganzes und lassen Unvorhersehbares
geschehen. Um uns und für uns. Und verändert. Schauen wir
doch mal was SIVA. für uns verändern können.
Den Namen der Band STERNBUSCHWEG hörte man in
den vergangenen Jahren schon häufiger. Oft ging es darum, sie
zu den hoffnungsvollsten Indie-Bands des Landes zu zählen, manchmal
ging es auch darum, sich zu fragen, ob die Band nur mit dem Ruf kokettiert,
„the laziest men in showbiz“ zu sein, oder ob sie es tatsächlich
sind.
Diese Frage hatte sich für mich in dem Augenblick von selbst
beantwortet, als ich vor ein paar Tagen die Aufnahmen für ihr
Debutalbum erhielt und zum ersten Mal anhörte: dieses Album hat
genau die Zeit bekommen, die es brauchte, es hätte in der Tat
keinen Augenblick früher passieren können und sollen. Seit
ihrer letzten EP hat sich eigentlich nichts und doch irgendwie alles
verändert. Der Bandsound wurde konsequent weiterentwickelt, STERNBUSCHWEG
klingen nach wie vor groß und elegant, aber sie sind viel lauter
und direkter geworden; man kann sogar sagen, sie haben einen Sound,
der mit keiner Band hierzulande vergleichbar ist.
Noch immer ist es diese Rhythmusgruppe, die sich offensichtlich unzählige
Mengen alter Soul-und Raveplatten einverleibt hat und sie nun stückweise
wieder herausschleudert. Darüber legen sich die Gitarren, endlose
Folgen von Melodien und Hooklines, eingebettet in eine Wand aus Hall,
die mit Leichtigkeit die Licks eines Johnny Marr mit den haushohen
Gitarrenwänden eines J.Masics verbinden. Von Zeit zu Zeit kommen
noch Tasten von Rhodes bis zur Orgel hinzu und sie alle zusammen blicken
nach vorn, zu der klaren Stimme von Wolfgang Müller-Molenar,
der keinen Künstlernamen braucht und das Prinzip eines unaufdringlichen
Morrissey zur Perfektion bringt. Dazu ihre Texte, die mit Songtiteln
wie „Meine Liebe dauert länger als der Kommunismus“
oder Zeilen wie „Oh Julia, ich spring vom Dach, komm küss
mich auf dem Pflaster wach“ und „Wenn wir es nicht tun,
solange wir jung sind, wann sollen wir es dann tun?“ große
Geschichten erzählen und gleichzeitig Slogans am Fließband
herstellen.
Produziert hat wieder ihr langjähriger Freund Tobias Siebert,
der auch beispielsweise für das letzte Album von Samba und das
erfolgreiche Debut von Hund am Strand verantwortlich war, und der
sonst auch in den Bands Klez.e und delbo musiziert. Fürs Mastering
konnte Michael Schwabe gewonnen werden, der u.a. für Wir sind
Helden, Tomte, Kante oder die Beatsteaks an den Reglern saß.
Sowohl auf der Bühne als auch auf Platte wird man 2007 nicht
an STERNBUSCHWEG vorbeikommen. Nun, ich für meinen Teil kann
mir kaum etwas Besseres vorstellen.
Herzliche Grüße, Ray Preston, Musikjournalist.