Berliner Zeitung .-Nummer 83 -Mittwoch, 8. April, 1998 Berlin

Juristischer Trick bewahrt Tacheles vor Räumung

Gerichtsvollzieher musste wieder abziehen / Künftiger Eigentümer lässt Musical aufführen

1990 wurde das ehemalige Kaufhaus an der Oranienburger Straße in Mitte besetzt und vor dem Abriß bewahrt. Seit 1995 ist das denkmalgeschützte Haus im Besitz des Bundes, verwaltet von der Oberfinanzdirektion (OFD). Am 2.10.1997 erhielt die OFD das Recht auf Räumung des Café Zapata, mit dem sich der Tacheles e.V finanziert.
VON STEEAN EHLERT
Hunderte waren erschienen, zur "langen Nacht der Räumung"! des Cafe Zapata im Kunsthaus Tacheles an der Oranienburger Straße. Nur die, Polizei kam nicht. Die vom Tacheles auf Flugblättern angekündigte Polizeiaktion fiel aus. Gerüchte kursierten: "Alles nur ein Trick, um die Kneipe vollzukriegen." Aber die Räumung war tatsächlich geplant: Erst um 17.20 Uhr hatte der Gerichtsvollzieher sein "Vollzugshilfeersuchen" an die Polizei zurückgezogen. Einige Gäste warteten dennoch bis morgens um sieben auf die Staatsmacht. Aber außer versehentlich zertretenen Bierflaschen gab es keine Scherben. Mit einem juristischen Trick hatte das Kunsthaus dem Eigentümer der Ruine, der Oberfinanzdirektion (OFD), ein Schnippchen geschlagen: Es hatte einfach einen neuen Betreiber für das Cafe Zapata benannt. Der im Oktober vor Gericht erstrittene Räumungstitel gilt aber nur für den vorherigen Kneipier. Deshalb ist die OFD noch immer nicht im Besitz des entscheidenden Teils ihrer Immobilie. Das Café Zapata ist die wichtigste Geldquelle des Tacheles: "Wir hängen unmittelbar davon ab", sagt ein Sprecher des Kunsthauses. Nun wird wohl wieder ein halbes Jahr vergehen, bevor ein neuer Räumungstitel erstritten ist und die Polizei ein zweites Mal mobil macht "Beim nächsten Mal klagen wir gleich auf Unterlassung des Betreiberwechsels", kündigte OFD-Sprecher Manfred Reuß an. Seit einer Woche liegen der OFD die Namen der rund zehn weiteren Nutzer des Tacheles vor. Auch gegen sie werden Räumungstitel erstritten. Für 30 bis 40 Millionen Mark soll das Grundstück an die Kölner Fundus-Gruppe verkauft werden. Fundus beginnt jetzt mit der Zwischennutzung der Freifläche: Ab November wird dort "Der Herr der Ringe" im Zelt gespielt - ein Fantasie-Musical.

 

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